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Frage 1:
Ich übernehme nächste Woche einen 12 Wochen alten Labradorwelpen aus einem Wurf von 6 Hunden. Ist es notwendig, dass ich mit ihm eine Welpenspielgruppe besuche?

Nein. Das ist nicht notwendig. Ihr Welpe hatte beim Züchter genügend Gelegenheit, sich mit seinen Geschwistern und seiner Mutter auseinanderzusetzen und dabei zu lernen, wie man sich als Hund unter Hunden verhält.

Dieser Lernprozess findet in der Zeit von der dritten bis ungefähr zwölften Lebenswoche statt und wurde von Scott und Fuller bereits in den 60-er Jahren eingehend untersucht und als Sozialisierung bezeichnet. Später wurden diese Erkenntnisse von Trumler im deutschen Sprachraum popularisiert. Andere Autoren haben die Ergebnisse aus der Arbeit von Scott und Fuller durch weitere Untersuchungen bestätigt und eine weitere Gruppe von Hundeleuten, vorwiegend Praktiker, haben die Sozialisierung um abenteuerliche, nicht haltbare Aussagen erweitert.

Vor allem darauf basierte das Konzept zur Bildung der heute boomenden Welpenspielgruppen, deren Besuch bei weitem nicht jedem jungen Hund gut bekommt.
Welpen, die sich bereits bei der Auseinandersetzung mit ihren Geschwistern durch aggressives Verhalten durchzusetzen vermochten, können in dieser Erfahrung bestätigt werden und kommen dann als kleine "Rambos" aus der Welpenspielgruppe.
Andere Welpen, die sich bereits im Wurf unterziehen mussten, entwickeln sich bei entsprechender Erfahrung in der Spielgruppe zu "Angsthasen".
Beide Entwicklungen lassen sich auch bei guter Leitung der Spielgruppe kaum verhindern und führen bei den erwachsenen Hunden dann zu den entsprechenden Verhaltensproblemen.

Übrigens: Spielgruppen, die sich aus einander bislang fremden Jungtieren zusammensetzen, existieren bei Wölfen in ihrem natürlichen Lebensraum nicht.


Frage 2:
Führt die Ausbildung im Schutzdienst für sportliche Zwecke zu gefährlichen Hunden und sollte daher für Hunde in Privathand verboten werden?

Nein. Die Schutzdienstausbildung für sportliche Zwecke hat nicht zwangsläufig gefährliche Hunde zur Folge. Es gibt keine Untersuchung, die zeigen würde, dass Schutzhunde häufiger als andere Hunde an Beissunfällen beteiligt wären, geschweige denn, dass die Ausbildung an sich bissige Hunde produzieren würde. Dies stimmt auch mit meinen Erfahrungen in meiner ethologischen Praxis überein. Weshalb ist das so?

Ich möchte zwei Gründe anführen.
Moderne, auf Erkenntnissen der Verhaltensforschung und der Lernpsychologie basierende Schutzdienstausbildung kann als objektbezogenes Spiel zwischen dem Schutzdiensthelfer und dem Hund gesehen werden. In Abhängigkeit vom Ausbildungs- und körperlichen Entwicklungsstand des Hundes handelt es sich beim Objekt um einen Lappen, eine Beisswurst, einen Ärmel oder einen Anzug. Bei der Ausbildung der zentralen Elemente eines Schutzdienstes - Fassen, Festhalten und Loslassen des Objektes - verfahren gute Schutzdiensthelfer so, dass sie die in der Prüfungsordnung geforderten drohenden Handlungen, wie beispielsweise Hiebbewegungen mit einem Stock, allmählich ins Spiel integrieren und mit andern freundlichen Aktionen, wie Streicheln oder Tätscheln vermischen. Dadurch entsteht beim Hund Vertrauen in die gesamte Situation und insbesondere in die Aktionen des Schutzdiensthelfers. Diese Sicherheit eines gut ausgebildeten Schutzhundes im Umgang mit dem Helfer ist ein Grund für das seltene Auftreten aggressiver Verhaltensweisen gegen Menschen.

Ein weiterer Grund findet sich darin, dass bei der Ausbildung nicht nur die Kontrolle von Kommandos über die Verhaltensweisen "Angreifen", "Verfolgen", "Zupacken" und "Festhalten" gewonnen und gesteigert wird, sondern auch jene von gegensätzlichen Handlungen des Hundes, wie "Fuss", "Hier" und "Aus". Dies erlaubt dem Halter eines Schutzhundes, seinen Hund in heiklen Alltagssituationen, z. B. plötzliches Erscheinen eines Joggers, besser zu kontrollieren und damit Unfälle zu vermeiden.

Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass das Verbieten der Ausbildung von Hunden im Schutzdienst für sportliche Zwecke keinen Sinn macht.


Frage 3:
Mein Übungsleiter hat mir geraten, meinem Hund die Kommandos nicht gleichzeitig sondern nacheinander beizubringen, um ihn nicht zu verwirren. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Sukzessives Ausbilden von Kommandos birgt die grosse Gefahr der Entstehung von Ungleichgewicht im Verhalten des Hundes. Zwei Beispiele: Intensives und ausschliessliches Üben des Kommandos "Platz" führt zu einem Ungleichgewicht in Richtung Abliegen. Dies erschwert das spätere Ausbilden des Kommandos "Steh", bei welchem der Hund aus liegender Position aufstehen soll. Alleiniges Praktizieren des Herankommens auf das Kommando "Hier" führt zu Schwierigkeiten bei der anschliessenden Ausbildung des Kommandos "Voran", welches eine gegensätzliche Bewegungsrichtung vom Hund verlangt.

Verhaltensungleichgewicht kann auch in bezug auf die Bewegungsintensität entstehen. Häufiges Trainieren der Kommandos "Hier", "Bring" oder "Revier" führt zu einem Ungleichgewicht in Richtung bewegungsintensive Verhaltensweisen. Das Ausführen bewegungsarmer Kommandos, wie "Sitz", "Platz" oder "Steh", wird für den Hund schwierig.

Ungleichgewicht im Verhalten kann durch ein ausgewogenes Trainingssystem mit einer Vielzahl unterschiedlicher Kommandos, die parallel geübt werden, vermieden werden.

Fazit: Von den ersten Trainingsschritten beim 10-wöchigen Welpen bis zum Ausbildungsende werden dem Hund in jeder Trainingssitzung alle Kommandos in zufälliger Reihenfolge geboten.


Frage 4:
Ich habe einen Boxer, der an sich ein lieber harmloser Hund ist, aber bei einem Gewicht von 45 kg Probleme macht, wenn es zur Begegnung mit Katzen kommt. Er ist dann so in seinem Jagdfieber gefangen, dass ich ihn nicht mehr zu fassen bekomme, selbst wenn er in Reichweite ist. Meine Frage ist, kann man einem Hund diesen Jagdtrieb abgewöhnen, denn inzwischen habe ich vor jedem Spaziergang Angst.

Zunächst das Positive. Es ist durchaus möglich das Jagdverhalten Ihres Boxers in den Griff zu kriegen.
Negativ ist, dass dies bei einem Hund mit grosser Jagdpassion nur mit viel Aufwand und vermutlich nicht ohne professionelle Hilfe zu bewerkstelligen ist. Der Weg zum Erfolg führt nämlich nicht über die Bestrafung des Hundes, sondern über die solide Ausbildung einer Vielzahl von Kommandos, die dann in der Jagdsituation beim Hund abgerufen und belohnt werden können.

Ein zentrales Element dieser Gegenkonditionierung stellt dabei das Kommando "Nein" dar, welches dem Hund in Form von 13 Aufgaben mit allmählich zunehmendem Schwierigkeitsgrad vermittelt wird. Zur Veranschaulichung beschreibe ich Ihnen die erste, die vierte und die letzte Aufgabe.

Aufgabe 1, Ausgelöstes Nein: Der Hund unterbricht auf das Kommando "Nein" kurzfristig ein relativ schwach motiviertes Verhalten, wie z.B. die Annäherung an ein Futterstück, welches Sie in der Hand halten. Korrektes Reagieren des Hundes wird mit dem Reichen des Leckerbissens belohnt.

Aufgabe 4, Widerrufen: Der Hund unterbricht auf das Kommando "Nein" die Ausführung einer gerade begonnenen kommandierten Handlung.
Ein Beispiel: Sie geben dem Hund das Kommando "Hier". Kurz nachdem er auf Sie zuzulaufen beginnt, rufen Sie "Nein", worauf der Hund stoppt und eine weitere Annäherung unterlässt.
Dieses Starten und Stoppen einer kommandierten Verhaltensweise machen Sie mit allen Kommandos, welche der Hund kennt. Dies führt zu einer Verallgemeinerung des Kommandos "Nein". Der Hund lernt, eine beliebige Handlung auf Kommando zu unterbrechen.

Aufgabe 13, Selbständiges Nein: Der Hund unterlässt die Annäherung an eine Katze, ein Reh, oder einen Hasen auch dann, wenn Sie nicht anwesend sind und kein Kommando geben.

Die Beschreibung der übrigen Aufgaben, die zu dieser "Selbstkorrektur" des Hundes und damit zur Beseitigung Ihres Jagdproblems führen, finden Sie in meinem Buch "Hunde aktivieren statt hemmen".


Frage 5:
Verwenden Sie in Ihrem Ausbildungssystem auch Clicker?

Nein, ich arbeite nicht mit einem Clicker.
Sekundäre Bekräftiger setze ich als Belohnung allerdings schon seit langer Zeit ein. Die von mir verwendete Form besteht aus einem Pfeifton von geringer Lautstärke, der funkgesteuert am Halsband des Hundes abgegeben wird. Seine belohnende Wirkung erhält der Ton wie beim Clicker erst, wenn er dem Hund häufig kurz vor einem primären Bekräftiger (z.B. Futter, Spiel) geboten wird.

Der Vorteil gegenüber dem Clicker besteht darin, dass der Hund unabhängig von der Distanz zu mir immer den gleichen Ton hört. Seine Lautstärke ändert sich nicht. Ausserdem zeigen die Hunde keine Orientierungsreaktionen. Sie wenden den Kopf nicht in Richtung Trainer und brechen die Handlung nicht ab, wie dies häufig beim Einsatz des Clickers zu beobachten ist. Ein Hund, den ich während der Ausführung des Kommandos "Voran" mit dem Pfeifton belohne, rennt ohne zu zögern oder sich umzuschauen in die angewiesene Richtung weiter.

Ungestörtes Ausführen eines kommandierten Verhaltens und Gleichförmigkeit von Reizen sind zwei Hauptschlüssel für erfolgreiches Training.


Frage 6:
Auf Hundeplätzen habe ich beobachtet, dass Trainer ihre Hunde häufig nach jedem Befolgen eines Kommandos belohnen. Ist denn soviel Belohnung notwendig?

Ja und nein. Die Häufigkeit, mit der ein Hund belohnt werden soll, ist abhängig von seinem Ausbildungsstand. Beim Erlernen eines neuen Kommandos wird der Hund nach jeder korrekten Reaktion belohnt. Durch diese Immerbekräftigung bildet sich beim Hund eine rasche Assoziation zwischen Kommando, Verhalten und Belohnung aus. Als Belohnung kann Futter, Spiel mit dem Trainer oder ein anderes angenehmes Ereignis eingesetzt werden.

Dann setzt Inflation ein. Der Hund muss mit dem Ausführen von zunehmend mehr Kommandos "bezahlen", um einen Leckerbissen zu erhalten oder um mit dem Trainer spielen zu können. Am Ende der Ausbildung wird er erst belohnt, wenn er durchschnittlich 5 Kommandos korrekt befolgt hat. Durch diese unregelmässige Art der Belohnung ist seine Bereitschaft, kommandierte Verhaltensweisen auszuführen, grösser, als wenn er weiter nach dem Schema der Immerbekräftigung seine Belohnung erhalten hätte.

Übrigens. Dies gilt auch beim Menschen. Surfer im Netz, welche durch Anklicken einer Seite durch unregelmässige Updates der Webseite belohnt werden, besuchen diese Seite häufiger als solche, welche nie oder regelmässig Neuerungen beinhalten.


Frage 7:
Manchmal bin ich mir in der Beurteilung von Beschwichtigungsverhalten nicht ganz sicher - ist z.Bsp. Schnauzelecken immer ein solches Signal?
Mein Mali zeigt es auf dem Spazierang besonders häufig, wenn er auf mich zukommt, in der Hoffnung, sich ein Leckerchen abzuholen. Zeigt er mir dabei nur seine freundliche Stimmung an oder läuft ihm in der Vorfreude vielleicht auch das Wasser im Munde zusammen?

Eigene-Schnauze-lecken Sie haben recht. Das Lecken der eigenen Schnauze ist bei Hunden nicht immer ein Signal zur Beschwichtigung eines dominanten Partners.
Es kommt, wie Sie richtig beobachtet haben, auch im Funktionskreis der Nahrungsaufnahme vor. Hunde können die eigene Schnauze lecken, wenn sie aus Erfahrung Futter erwarten oder kurz bevor sie Nahrung erbrechen.

In Ihrem Beispiel des herankommenden Malinois könnte das Verhalten "Eigene-Schnauze-lecken" sowohl Futtererwartung als auch Rangunterlegenheit ausdrücken. Eine exaktere Deutung des Verhalten ist erst möglich, wenn zusätzliche Angaben über die Form des Verhaltens, das übrige Ausdrucksverhalten und den Kontext mit einbezogen werden.

Wird die Zunge nach vorne aus dem Fang gestreckt bei gleichzeitig mehr oder weniger stark nach hinten gerichteten Ohren (s. Abbildung) und ist die Erfahrung des Hundes derart, dass Sie in der Situation des Herankommens häufig unangenehm auf ihn einwirken, würde ich sein Schnauzelecken als Beschwichtigungsverhalten deuten. Wenn der Hund beim Schnauzelecken die Zunge mehr oder weniger weit seitwärts gegen den Mundwinkel führt, die Ohren aufrecht trägt und nach vorne richtet und in der momentanen Situation häufig einen Leckerbissen erhält, würde ich das Verhalten der Erwartung von Futter zuordnen.

Sie sehen, die Deutung von Verhalten ist schwierig und allein aufgrund eines einzelnen isolierten Merkmals zumeist nicht möglich.


Frage 8:
Mein Hund sitzt in der Unterordnung beim Anhalten sehr schnell ab, macht dies aber bei der Übung "Sitz aus der Bewegung" sehr langsam und gehemmt. Wie kriege ich ein schnelleres Absitzen hin?

Die Hauptvariable bei der Aufgabe "Sitz aus der Bewegung" ist die Geschwindigkeit der Vorwärtsbewegung des Trainers. Da Ihr Hund ein schnelles Absitzen beim Anhalten zeigt, dürfte er dies auch tun, wenn Sie sich beim Gehen mit ganz kurzen Schritten beinahe still stehend bewegen und dann das Kommando "Sitz" geben und sich in gleicher Weise wie vor dem Kommando vom Hund etwas entfernen. Im Verlaufe der Übungen erhöhen Sie dann allmählich die Geschwindigkeit (Schrittlänge) der Vorwärtsbewegung bis hin zur gewünschten Geschwindigkeit.

Dieses Vorgehen hat übrigens auch Gültigkeit für die anderen Positionskommandos "Steh" und "Platz".

Kurzes Video zur Veranschaulichung


Frage 9:
Im Safety Training verwenden Sie zur Therapie von Verhaltensproblemen ein elektrisierendes Trainingsgerät. Ist das denn noch zeitgemäss?

Wenn Sie unter "zeitgemäss" den Trend meinen, der die Arbeit mit Hunden aktuell bestimmt, dann lautet die Antwort nein. Anfang der 90-er Jahre hat eine Bewegung ihren Anfang genommen, die allein dem Lernprinzip der positiven Bekräftigung (der Hund erhält etwas Angenehmes nach erwünschtem Verhalten) beim Ausbilden von Hunden Existenzberechtigung zuspricht. Dies obwohl die Prinzipien der negativen Bekräftigung (ein bereits vorhandener unangenehmer Reiz verschwindet bei Ausführung des erwünschten Verhaltens des Tieres) aber auch der Bestrafung lernpsychologisch von ebensolcher Bedeutung sind und auch bei frei lebenden Tieren zum Alltag gehören. Ein Beispiel: Ein Welpe macht sich spielerisch am Schwanz der Mutter zu schaffen. Diese, davon überdrüssig, knurrt und zieht leicht die obere Lefze nach oben. Der Welpe macht ungestört weiter, bis die Hündin nach ihm schnappt. Der Welpe schreckt zurück und lässt den Schwanz los. Auf diese Weise werden Knurren und Zähneblecken zu Drohsignalen und das Loslassen des Schwanzes wird negativ bekräftigt. Lernpsychologen sprechen in diesem Fall von Flucht-Vermeidungslernen. Der Welpe lernt, das Drohen der Mutter als Signal für kommendes Ungemach zu beachten und dies durch ein entsprechendes Verhalten zu vermeiden.

Im Safety Training werden positive Bekräftigung und Flucht-Vermeidungslernen mit Sicherheitssignalen in genialer Weise miteinander verwoben. Die Überlegenheit dieser Methode gegenüber alleinigem Einsatz positiver Bekräftigung hat Daniel Tortora bereits 1983 eindrucksvoll dargelegt. Bei den Hunden, die allein mit Spiel für die Ausführung des kommandierten Verhaltens positiv bekräftigt wurden, kam es beim Training unter maximaler Ablenkung (Trainingsphase 7 und 8, s. Abbildung) zu einem starken Kontrollverlust. Nicht so bei den safety-trainierten Hunden.

Die Forderung nach zunehmend besser kontrollierten und damit gesellschatfsverträglichen Hunden in der heutigen Zeit ruft nach wirksamen und gleichzeitig tiergerechten Verfahren bei der Ausbildung von Hunden. Das Safety Training erfüllt beide Kriterien in hohem Masse und ist insofern sehr zeitgemäss.

Es gibt übrigens auch neuere Untersuchungen, die zeigen, dass der Einsatz von Strom als Strafreiz bei Hunden viel wirksamer ist als ein Abbruchsignal, welches das Ausbleiben von Belohnung ankündigt und dass Hunde, die durch die Leine an der Jagd nach einem Beuteobjekt gehindert werden, stärkere Stressreaktionen zeigen als solche, die bei der Jagd einen korrekt eingesetzten strafenden Stromreiz erfahren (s. Seite 90 und 112).
Die beiden Untersuchungen, welche an der Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführt wurden, finden Sie da und hier.


Frage 10:
Bei dem in Ihrem Buch beschriebenen Aktivierungstraining verwenden Sie für den Hund schmerzlose elektrische Reize. Wäre es demnach nicht angebracht und im Sinne des Tierschutzes, wenn die Hersteller Geräte anbieten würden, die nur Stromreize von niedriger Intensität zuliessen?

Nein, es ist nicht sinnvoll, die Geräte technisch auf eine bestimmte Stromstärke zu reduzieren.

Lassen Sie mich etwas näher auf die Art und Weise eingehen, wie elektrische Reize beim Aktivierungstraining eingesetzt werden, so dass auch Leser, die damit nicht oder nur wenig vertraut sind, meiner Begründung folgen können.

Die erste Phase des Aktivierungstrainings heisst "Spiel-Training". Darin bringe ich dem Hund die Bedeutung der Kommandos bei und belohne ihn für korrektes Reagieren mit ausgelassenem Spiel. Dadurch bildet sich eine positive Haltung des Hundes zum Training aus und seine Spielmotivation wächst. Beides ist von zentraler Bedeutung für das erfolgreiche Arbeiten mit elektrischer Stimulation. Sie wird im weiteren Verlauf des Trainings in der niedrigsten Intensität eingeführt, welche das verwendete elektrisierende Gerät zulässt. Dies ist beispielsweise bei einem Gerät der Marke "Dogtra" Stufe 1 von insgesamt 127 Intensitätsstufen. Der elektrische Reiz wird dann stufenweise rasch so weit gesteigert, bis ich am Verhalten des Hundes erkenne, dass er den Reiz gerade wahrnimmt. Indikatoren für diese sensible Reizschwelle sind Bewegungen des Ohres oberhalb der Halsseite, an welcher der Empfänger angebracht ist, Bewegungen des Kopfes in Richtung Reizquelle oder leichtes Kopfschütteln. Bei den meisten Hunden tritt eine dieser Reaktionen zwischen den Intensitätsstufen 13 und 20 eines Dogtra-Gerätes auf.
Dieser von mir als "niedrig" bezeichnete elektrische Reiz wird nun über die korrekte spielmotivierte Reaktion des Hundes gelegt. Den Sender bediene ich dabei so, dass der Reiz unmittelbar nach dem Kommando beginnt und bei Beendigung der kommandierten Handlung aufhört. Mit zunehmender Erfahrung des Hundes mit dem elektrischen Reiz steigere ich allmählich dessen Stärke und suche dabei nach jener Intensität, bei welcher der Hund schnell auf meine Kommandos reagiert, ohne Anzeichen in seinem Verhalten, die auf unangenehmes Empfinden schliessen lassen. Bei dieser von mir als "optimal" bezeichneten Reizintensität treten in der Regel mehr oder weniger deutlich sichtbare Muskelkontraktionen am Hals des Hundes auf. Für einen aufmerksamen Beobachter sieht es so aus, als ob der Hund durch die elektrische Stimulation in die korrekte Reaktion "gestossen" würde. Die der Handlung zugrunde liegende Motivation bleibt dennoch Spiel.

Diese optimale Intensität ist nun leider keine feste oder konstante Grösse. Wie bei der "niedrigen" gerade wahrnehmbaren Intensität variert auch sie von Hund zu Hund. Zu den beeinflussenden Faktoren zählen unter anderem die Rasse, das Geschlecht und die individuelle Sensibilität des Hundes. Die "optimale" Intensität verändert sich aber auch beim selben Hund über die Zeit. Die Aussage, Hund "Rex" ist ein "Stufe-30-Hund", ist nicht möglich. Einmal ist die Intensitätstufe 30 optimal, ein anderes mal ist sie zu hoch und dann wieder zu niedrig. Die optimale Intensität schwankt vor allem in Abhängigkeit von der Angeregtheit des Hundes. Je angeregter der Hund ist, um so höher ist die optimale Intensität und sie ist niedriger, wenn seine Angeregtheit abnimmt. Ferner spielen Reize in der Umgebung des Hundes eine Rolle. Beim Anblick einer Katze nimmt unser "Rex" den elektrischen Reiz auf Stufe 30 kaum wahr und erst Stufe 52 "pusht" ihn in die kommandierte Reaktion. Oder bei einem aufreizend nahe am Hund vorbei laufenden Jogger hat Stufe 38 die gewünschte Wirkung: "Rex" reagiert schnell und ohne Ausdruck von Unbehagen auf das Kommando "Hier".

Sie sehen an diesen Beispielen, dass ein Dogtra-Gerät, dessen elektrischer Reiz beispielsweise auf eine maximale Reizintensität von Stufe 20 reduziert wäre, sich nicht für das Aktivierungstraining eignen würde. Ein hoch wirksames und gleichzeitig tiergerechtes Verfahren würde dem erfahrenen Spezialisten aus der Hand genommen. Wäre das im Sinne des Tierschutzes?

Frage 11:
Der Begriff Druck ist für mich immer negativ besetzt. Sie unterscheiden aber beim Training von Hunden zwischen positivem und negativem Druck. Können Sie dies näher erläutern?

Das schwer verständliche Konzept des "positiven Drucks" gründet auf folgenden Beobachtungen:

Hunde, welche über positive Erfahrungen mit der Trainingssituation verfügen und gelernt haben, dass korrektes Verhalten auf Kommandos zu Spiel führt, zeigen auf einen schwachen elektrischen Reiz, der über die kommandierte ohnehin korrekte Handlung gelegt wird, keine Veränderungen im Ausdrucksverhalten, welche auf unangenehmes Empfinden schliessen lassen.

Durch allmähliche Steigerung der Intensität des elektrischen Reizes, lässt sich eine optimale Reizstärke finden, welche zu einer schnelleren Reaktion des Hundes auf Kommandos führt. Der Reiz führt weder zu submissivem Verhalten noch zu Hemmung, sondern "pusht" den Hund lediglich in die korrekte Handlung. Das ist mit "positivem Druck" gemeint. Da der elektrische Reiz beim Hund nicht zu unangenehmem Empfinden führt, wirkt er auch nicht als negativer Bekräftiger.

Die Intensität dieses optimalen Reizes variiert vor allem mit der Angeregtheit des Hundes. Je spielmotivierter der Hund ist, um so höher ist die optimale Intensität der elektrischen Stimulation, und umgekehrt. Ähnlich wie bei der Titration, bei der der Chemiker ein Gleichgewicht zwischen Säure und Base herstellt, suche ich beim Training durch Veränderung der Spielintensität/-häufigkeit und der Intensität der elektrischen Stimulation die Angeregtheit des Hundes und den Druck aufeinander abzustimmen.

Wenn es um das Gewinnen von maximaler Verhaltenskontrolle im Hundesport, für jagdliche Zwecke oder für den Alltag geht, reicht es, mit "positivem Druck" zu arbeiten.
Anders sieht dies in der Therapie von aggressiven Hunden aus. Bei Hunden, die Fremdpersonen, Familienmitglieder des Halters oder ihn selbst angreifen oder bei Raufern, erhöhe ich die elektrische Stimulation absichtlich auf eine Intensität, die vom Hund als leicht unangenehm wahrgenommen wird. Der Druck wird dabei zu "negativem Druck" und es kommt zu einer Änderung der, den kommandierten Handlungen zu Grunde liegenden, Motivation. Die Reaktionen des Hundes auf Kommandos sind nicht mehr ausschliesslich spielmotiviert sondern spiel-vermeidungsmotiviert. Am Hund ist diese Mischmotivation durch mehr oder weniger Hemmung und leichtem submissivem Ausdrucksverhalten erkennbar.

Der elektrische Reiz wird nun ausserdem funktionell zu einem negativen Bekräftiger und die Situation entspricht dem Flucht-Vermeidungslernen.
Der Hund lernt dabei mit Nicht-aggressiven-Verhaltensweisen (z. B. Herankommen, Abliegen, Absitzen, Apportieren, Auslassen u. a.) einen unangenehmen Reiz zu bewältigen, gegen ihn zu gewinnen.

Diese neue Bewältigungsstrategie führt zu fundamentalen Veränderungen beim Hund. Er unterlässt es zunehmend, auch auf andere unangenehme Ereignisse (z. B. Annäherung des Menschen an den ruhenden oder fressenden Hund) mit aggressivem Verhalten zu reagieren. Dies hat Tortora 1983 in seiner experimentellen Arbeit zum Sicherheitstraining eindrucksvoll gezeigt.

Das Konzept des "positiven Drucks" übersteigt das Auffassungsvermögen der meisten Hundeausbilder bei weitem. Dies ist einer der Gründe, weshalb es so selten praktiziert wird und sich die Kritiker nicht vom tiergerechten Einsatz von Strom überzeugen lassen.




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